Produktionsrückverlagerung der Varta Microbattery GmbH
Das Unternehmen Varta Microbattery GmbH hat seinen Stammsitz im schwäbischen Ellwangen. Das Unternehmen ist 2001 aus einem Profit-Center des Varta Konzerns hervorgegangen. Varta Mirobattery stellt primäre (nicht wiederaufladbare) und sekundäre (aufladbare) Mikrobatterien her (vgl. FELGER 2004: 43). Hierbei werden aufladbare Lithium-Knopfzellen, die z.B. für Handys und Notebooks benutzt werden, Hochleistungs-Zink-Luft-Batterien, die für Hörgeräte eingesetzt werden und Lithium-Polymer-Akkus in diversen Formen hergestellt. Es ist der einzigste noch übrig gebliebene Unternehmensbereich des Varta Konzerns in dem noch Batterien hergestellt werden.
Das Unternehmen beschäftigt weltweit ungefähr 1300 Mitarbeiter, wobei 600 Mitarbeiter am Standort Ellwangen tätig sind. Das Unternehmen erzielte im Jahr 2003 einen Umsatz von 145 Mio. € (vgl. VARTA 2003: 17). Die größten Wettbewerber kommen aus Japan, welches auch den größten Markt für Mikrobatterien darstellt. Die damalige Ausgangssituation vor der Rückverlagerung sah so aus, dass im damaligen Profitcenter Mikrobatterien von Varta zwischen den Sub-Profitcentern Primärzellen und Sekundärzellen unterschieden wurde. Primärknopfzellen werden seit 1968 am Standort Ellwangen produziert. 1976 wurde die Fertigung von Sekundärknopfzellen nach Singapur verlagert. Die damaligen Gründe für die Verlagerung nach Singapur waren vor allem, dass man in der Nähe des größten Marktes produzieren wollte. Des Weiteren spielten niedrige Lohnkosten am Standort Singapur eine große Rolle. Am Standort Singapur war geplant, 100 Mio. Knopfzellen pro Jahr zu produzieren. Dafür wurden sieben Fertigungslinien auf einer Fläche von 5000 m² errichtet. Für die Produktion der Sekundärknopfzellen waren 500 Mitarbeiter notwendig. Im Jahr 1990 hatte das Unternehmen Varta vier Standorte für die Produktion und Assemblage der Knopfzellen.
Am Standort Ellwangen fand die Forschung und Entwicklung für die Primär- und Sekundärknopfzellen statt. Die Primärzellenproduktion befand sich in Ellwangen, während die Sekundärzellen in Singapur gefertigt wurden. Zusätzlich waren in England und auf Batam Island jeweils Standorte für Assemblagetätigkeiten (vgl. ILIC/CUIPER 1998: 86f.). Während der Zeit der Auslandsproduktion wurden qualifizierte Mitarbeiter am Standort Singapur benötigt. Immer wieder war es problematisch, qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren. Es herrschte in den ersten Jahren der Auslandsproduktion ein großer Mangel an Facharbeitern sowie Ingenieuren. Ab Anfang der Achtziger Jahre wurde eine Lehrlingsausbildung durchgeführt, die zur Besserung der Situation beitrug.
Zusätzlich war es auch immer erforderlich deutsche Mitarbeiter zu entsenden und sie am Standort Singapur einzusetzen. Deutsche Facharbeiter aus dem deutschen Mutterwerk betreuten die Anlagen in Singapur. Die verantwortlichen Vorgesetzten kamen auch zum großen Teil vom deutschen Standort. Anfang der Neunziger Jahre wurde von Varta eine Marktstudie über Knopfzellen durchgeführt. In dieser Studie wurde ein Bedarf von 3 Mrd. Knopfzellen pro Jahr prognostiziert, wobei es sich zeigte, dass Low-Quality-Produkte, wie z.B. Glückwunschkarten mit Melodien, zwei Drittel des Bedarfs ausmachten und das restliche Drittel auf hochqualitative Produkte entfielen. Genau dieses High-Quality-Marktsegment wurde von Varta beliefert. Um das Jahr 1997 hatte Varta einen Weltmarktanteil in diesem Segment von ungefähr 30 Prozent und war damit der größte europäische Anbieter. Durch die Ergebnisse der Marktstudie wurde Varta motiviert, den Versuch zu starten, den jährlichen Absatz erheblich zu steigern und zu versuchen, die Qualität der Knopfzellen zu verbessern. Somit wurde als erklärtes Ziel der Ausbau der Marktanteile gesetzt. Um am Weltmarkt bestehen zu können und den Anschluss an die Weltmarktführer zu schaffen, wurde die Entwicklung von cadmiumfreien alkalischen Knopfzellen forciert.
Von einer modernen Knopfzelle wird vor allem Qualität gefordert, welche sich in einer hohen Lebensdauer, geringerem Energieverlust und einfachem Einbau äußert. Danach folgt die Performance, welche sich durch lange Funktionalität, schnelle Wiederaufladbarkeit, eine große Anzahl von Ladezyklen und einer Anwendung bei hohen und niedrigen Temperaturen auszeichnet. Erst danach folgen die niedrigen Kosten einer Knopfzelle. Um das Ziel zu erreichen, den Absatz zu erhöhen, stellte sich die Aufgabe, die Produktion grundlegend zu verbessern. Um dies zu erreichen, musste der Ausstoß von 90 Knopfzellen pro Minute auf 500 Einheiten pro Minute gesteigert werden. 1993 wurde beschlossen eine neue Hochleistungslinie für die Primärzellenproduktion in Ellwangen zu errichten. Ein Jahr später konnte die neue Anlage, die ein Investitionsvolumen von 5 Mio. DM hatte, in Betrieb genommen werden. Ähnlich wie in Ellwangen musste die Produktion in Singapur modernisiert werden. Diese war weder technologisch noch qualitativ der veränderten Situation gewachsen (Vgl. ILIC/CUIPER 1998: 86ff.). Zusätzlich waren in Singapur während der Phase der Auslandsproduktion die Löhne deutlich gestiegen.
Es boten sich aus Sicht der Geschäftsführung für den Standort Singapur nur zwei vernünftige Optionen an. Diese waren zum Einen die Generalüberholung der Produktionsanlagen in Singapur, zum Anderen ein kompletter Neubau einer Fabrik in Singapur. Alle diese Optionen waren mit überdurchschnittlich hohen Investitionen verbunden. Für den Standort Singapur sprachen großzügige Subventionsangebote. Des Weiteren lag der Standort Singapur ideal in der Nähe eines wachsenden Marktes. Für den Standort Ellwangen sprach, dass durch die Verbindung der beiden Subprofitcenter mittel- und langfristige Synergieeffekte erzielt werden konnten. Zusätzlich reichte es aufgrund der sich verkürzenden Lebenszyklen von Knopfzellen nicht mehr aus, nach dem Ende der Entwicklungsphase eine Anlage aufzustellen und mit ihr zu produzieren, sondern es war erforderlich, dass eine kontinuierliche Verbesserung des Produktes und der Produktion vorgenommen werden musste. Dafür waren hochqualifizierte Mitarbeiter notwendig, die am Standort Ellwangen vorhanden war. Zusätzlich konnten durch die Zusammenverlegung Fixkosten für einen zweiten Standort eingespart werden (vgl. ILIC/CUIPER 1998: 89f.).
Gegen ein anderes Industrieland, wie etwa die USA oder ein anderes europäische Land, sprach vor allem das über Jahrzehnte gesammelt Know-How über die Produktion von Knopfzellen am Standort Ellwangen. Man entschied sich schließlich 1997, in den Standort Ellwangen zu investieren und die Produktion nach Ellwangen zurückzuverlagern. Das Hauptargument für die Rückverlagerung nach Deutschland war die Sicherstellung der Produktion von qualitativ hochwertigen Knopfzellen. Diesen Qualitätsstandard sah man durch die hochqualifizierten Mitarbeiter am deutschen Standort am Besten sichergestellt. Des Weiteren sind für den Betrieb und die Wartung der Anlagen eine gute Infrastruktur notwendig. Diese war am Standort Singapur nicht gegeben. Es wurde das Produktinnenleben sowie die Produktionstechnologie grundlegend geändert. Nickel-Metall-Hydrid löste die Nickel-Cadmium-Elektrochemie in den Knopfzellen ab. Somit wurde der Cadmium-Verbrauch des Unternehmens von 90 Tonnen jährlich auf Null reduziert. Eine Produktion mit reinem Cadmium ist aufgrund der Umweltschutzbestimmungen in Deutschland als undenkbar angesehen worden. Die neuen Produktionslinien in Ellwangen erfordern einen geringeren Personalaufwand als in Singapur.
Von den 500 Beschäftigten, die an einer semi-automatischen Straße in Singapur beschäftigt waren, sind in Ellwangen an der Hochgeschwindigkeitsstrasse nur 100 Mitarbeiter erforderlich (vgl. FELGER 2004: 43). Die Rückverlagerung, die auf zwei Jahre angesetzt war, konnte in 18 Monaten durchgeführt werden. Die 100 Beschäftigten an den Hochgeschwindigkeitslinien sind vor allem für die Überwachung der Fertigung zuständig. Lohnkosten spielen bei der Produktion nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Ziel, den Lohnkostenanteil an den Produktionskosten unter 15 Prozent zu bringen, wurde bereits zwei Jahre nach der Rückverlagerung erreicht (Vgl. FELGER 2004: 43f.). Durch die Reduzierung des Cadmiums und der damit verbundenen umweltfreundlicheren Produktion waren zwar die Produktionskosten gestiegen und somit reduzierte sich der Absatz von ungefähr 110 Mio. Knopfzellen in Singapur vor der Rückverlagerung auf ungefähr 80 Mio. Knopfzellen im Jahr 1998. Im Geschäftsjahr 2003 konnte erstmals wieder die 100 Mio. Grenze überschritten und ein Umsatz von 145 Mio. € erzielt werden. Die Kernkompetenzen von Varta Microbattery, wie z.B. der Bau von Einzelteilen, sollen auch in der Zukunft am Stammsitz verbleiben.
Jedoch werden weiterhin arbeitsintensive Produktionsschritte in Billiglohnländer ausgelagert. Bereits während der Rückverlagerung wurde eine neue Assemblierungs-Einheit in Indonesien errichtet. Dieser Standort in Indonesien verfügt auch über Lagerkapazitäten für Fertigprodukte in geographischer Nähe zu den Fertigungen wichtiger Kunden. Derzeit wird eine weitere große Assemblierungsanlage in Shanghai errichtet (Vgl. FELGER 2004: 44.). Die Rückverlagerung nach Deutschland wurde sowohl extern als auch intern sehr positiv aufgefasst. Vor allem im Unternehmen herrscht die Meinung vor, dass die Rückverlagerung nach Deutschland ein lebensnotwendiger Schritt gewesen wäre und es ohne diese Rückverlagerung das Unternehmen in dieser Form nicht mehr geben würde. Jedoch wurde auch betont, dass, falls sich entscheidende Faktoren verändern würden, Verlagerungen von Funktionsbereichen immer ein Thema bleiben würden.
Felger, Ulrike (2004): Insourcing bei Varta Microbattery. Wie Lohnkosten keine Rolle mehr spielen. ProFirma 7(2004)6: 42-44.
Ilic, Dejan; Cuiper (1998): Fallstudie 1: Erfolgreiche Produktionsrückverlagerung nach Deutschland. In: Reinhart, Gunther (Hg.): Montage-Management – Lösungen zum Montieren am Standort Deutschland. München: TCW-Transfercentrum: 85-99.
Varta (2003): Geschäftsbericht 2003. Hannover: Varta.